Ein neuer Roman wächst & gedeiht

Die Dunkelheit wollte nicht weichen, das wollte sie nie. Die Frau lag in ihrem Bett, der Wecker quäkte seinen ohrenzerfetzenden Ton, aber sie hatte nicht die Kraft, ihn abzustellen. Schließlich rollte sie sich stöhnend auf die Seite und schlug auf das Gerät.
Stille.
Sie blieb auf der Seite liegen, die Hand auf dem Wecker, und starrte die Leuchtziffern an. Früh war es. Zu früh. Immer zu früh, denn sie lebte bevorzugt in der Nacht, in den Lichtern der Straßenlaternen und Autoscheinwerfer und verlassenen Schaufenster geschlossener Geschäfte, Neonschilder der Kneipen. Doch das war einem geregelten Broterwerb nicht zuträglich, also musste sie sich wohl oder übel aus dem Bett kämpfen.
Sie tat es fluchend, wobei sie hoffte, damit den Schmerz in ihrem Körper und ihre bleierne Müdigkeit besser ertragen zu können. Es funktionierte nicht, ihre Beine fühlten sich an wie in Blei gegossen, ihr Rücken brannte, Schwindel ließ sie zurück auf die Matratze sinken.
Als sie sich endlich aufraffen konnte, zog sie die schweren Vorhänge vor den Schlafzimmerfenstern zurück und öffnete die Balkontür. Draußen war es kalt. Autos schoben sich dicht an dicht die Hauptstraße entlang. Sie lehnte sich gegen die gekippte Glasscheibe und atmete den Gestank der Stadt ein. Normales Leben da draußen. Alltag.
Weder Licht noch Lärm vermochten das nagende Gefühl abzumildern, dass etwas nicht stimmte. Die Dunkelheit, die nicht weichen konnte, egal, wie viele Vorhänge sie öffnete, egal, wie viel Lärm und Kälte und Licht sie in ihre Wohnung einlud, egal, wie viele Stunden sie sich mit wohlmeinenden Menschen umgab oder sich von einem Orgasmus in den nächsten fallen ließ. Es war ihre Dunkelheit, sie war in ihr, sie war ewig.
Die morgendlichen Verrichtungen waren mühselig; duschen, Kaffee kochen, ein Stück Brot hinunterwürgen, ehe es Schimmel ansetzen konnte, Kleidung für den Tag überstreifen.
Mit der Kaffeetasse am Küchentisch, das Radio dudelte im Hintergrund fröhliche Musik, bemühte sie sich um ein wenig Ablenkung, ein wenig Blödsinn in ihrem Kopf, um die Dunkelheit zumindest abzudrängen, auf dass sie würde arbeiten können.
Sie war nicht über Nacht in ein Ungetüm verwandelt worden. Sie war auch nicht in eine frühere oder zukünftige Zeit versetzt, in eine andere Dimension geschleudert, von Außerirdischen entführt oder von einem Yeti besucht worden. Das war zwar langweilig, aber gleichzeitig zutiefst beruhigend.
Sie nippte an dem Kaffee und stellte sich vor, er sei zu heiß, würde sie verbrennen; nein: würde sie verätzen. Es brannte, brannte wie Feuer. Schreien, um Hilfe rufen – unmöglich, denn ihre Zunge war weg, einfach weg. Ein blutiges Loch in ihrem Gesicht, mehr war ihr Mund nicht mehr. Und es fraß sich weiter, tiefer, immer tiefer in ihren Körper. Brennender Schmerz breitete sich in ihrem Magen aus, in ihrem Darm. Sie fiel kraftlos zu Boden, der Boden unter ihr wurde rau von der Säure, stinkende Rauchschwaden stiegen von dem sich auflösenden Linoleum empor und verursachten ihr Übelkeit. Ihr Kopf sank zu Boden und sie ergab sich in ihr Sterben, ließ den durchlöcherten Körper einfach auslaufen, sich vollständig verflüssigen.
Nun stahl sich endlich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Ihr Therapeut sorgte sich, dass nur solche Todesphantasien sie aufzuheitern vermochten, doch solange die Dunkelheit ihr ständiger Begleiter war, würde sich daran nichts ändern.

——–

Work in progress

Die Fenster der Stadt VI

Hinter den Fenstern ohne Vorhänge herrscht Einsamkeit.

Man sieht es sofort, sie sind nicht geputzt, werden langsam blind, ein leerer Blumenkasten verbreitet Trübsinn.

Diese Gegend war mal eine gute, war mal teuer. Jetzt wohnt hier niemand mehr, der Geld hat, sie sind alle weg und haben mitgenommen, was an dieser Gegend mal schön gewesen ist. Vorgärten verdorren. Wäscheleinen hängen durch. Manche Fenster sind zerschlagen und mit Sperrholzplatten und Plastikplanen notdürftig geflickt worden. Andere bleiben einfach offen.

Die Fenster ohne Vorhänge sind noch intakt. Die Wohnung, zu der sie gehören, ebenfalls. Sie ist genauso leer und ungepflegt wie ihr Bewohner, sie atmet dieselbe Einsamkeit. Auf einem zerschlissenen Sofa sitzt der zerschlissene Mann und sieht sich Werbung an, im winzigen Fernseher, auf dem er kaum etwas erkennen kann. Die quäkenden Stimmen aus dem Gerät trösten ihn auf eine Art, wie es echter menschlicher Kontakt schon lange nicht mehr schafft. Der Mann sieht sich nur noch Werbung an, denn die Spielfilme und Abendshows versteht er nicht. Er bevorzugt einfache, klare Klischees, übertriebene Fröhlichkeit und die Illusion, dass es irgendwo auf der Welt noch so etwas wie Glück gibt.

Es regnet. Der Mann bemerkt das nicht, er schaut schon lange nicht mehr aus dem Fenster.

Ich kann ihn sehen. Ich sehe ihn jeden Tag. Nicht mehr lange, dann hat der Dreck der Stadt die Fenster so sehr verkrustet, dass ich ihn nicht mehr werde sehen können. Dann werde ich vermutlich näher herangehen und ein wenig an der Scheibe reiben müssen, um zu sehen, wie er da sitzt. Aber vielleicht bringt das doch nichts, weil der Dreck der Stadt nicht abzuwischen ist und von innen Nikotin und Staub und Alter den Blick trüben.

Man hört den Fernseher Tag und Nacht, die laute Werbung, die bunte Welt, die es in Wahrheit nicht gibt.

Der Mann zündet sich eine Zigarette an und kuschelt sein Gesicht kurz in ein Stofftier, das er auf dem Schoß hält. Eine kleine Katze, grau, fast ohne Fell.

Man kann diesem Mann nicht mehr helfen, aber seine Hilflosigkeit hilft nun mir, lässt mich mein Leben in einem schöneren Licht betrachten, denn ich kann mir Spielfilme ansehen und einkaufen gehen und im Park spazieren und meine Fenster putzen.

Manchmal kann ich auch reden, mit Menschen, die mir begegnen, und manchmal habe ich dabei sogar Spaß. Ich weiß nicht, was passiert, wenn er mal nicht mehr in seiner leeren Wohnung sitzt und meine Einsamkeit für mich trägt.

Might Contain Emotion

Es ist langelange nix passiert hier — das liegt nicht daran, dass im schönen Wiesbaden Stillstand herrschen würde (dem ist schließlich immer so…), das liegt nur daran, dass ich eine faule Sau bin, die gerade mit Arbeit zugeschüttet wird. Irgendwas fällt eben immer hinten runter, zum Beispiel diese Seite hier.

Ich gelobe Besserung.

Gegen allzu große Sehnsucht hilft nun aber auch das wundervolle Portal indieberlin, für das ich neuerdings Rezensionen beisteuern darf.

Zum Beispiel diese hier zu Amandas Palmers literarischem Debüt „The Art of Asking“.

Mehr wird folgen.

Bestimmt.

Bald.

DreckSack

Manchmal geschehen schöne Dinge – zum Beispiel wird ein Text abgelehnt, aber die Blog-Ergüsse für geil befunden.

Damit – und mit einem neuen Text – bin ich nun also in der aktuellen Ausgabe des DreckSack vertreten.

FLEDERMAUSLAND!

Hola meine lieben Leser — heute spare ich mir vielviel Arbeit und verweise einfach auf Susann Klossek:

Frisch ab Presse!

Gerne darf man auch bei mir Bestellungen loswerden, ich besorge die dann bei Miss GonZo.

Grüße & bis nächste Woche in Leipzig!