Buchmesse Saar 2021

Save the Date: Vom 18. bis zum 20. Juni findet online die zweite Buchmesse Saar statt.

Ursprünglich als „echte“ Messe im schönen Saarbrücken geplant, musste sie bereits 2020 coronabedingt komplett in die virtuelle Welt verlegt werden. Das war aber glücklicherweise ein so großer Erfolg, dass sie nun zum zweiten Mal in genau dieser Form stattfinden wird.

Und ich bin dabei! Mit eigenem Stand & in bester Nachbarschaft.

Immerhin soll Der Fluch der Dunkelgräfin ja angemessen auf die Welt der Lesenden losgelassen werden.

(Pssssst: Lesen darf ich dort auch! Details folgen!)

Es ist … EIN KURZFILM!

Dass mein Beruf der Beste ist, wissen alle, die ab & an mal nachlesen, was ich so in den sozialen Medien von mir gebe.

Jetzt hat dieses Abenteuer allerdings eine neue Ebene erreicht, von der ich kaum zu träumen gewagt hätte: ICH HABE EINEN FILM GEMACHT!

Na ja, ich habe einfach nur eine meiner Kurzgeschichten gelesen; den Film hat Joe Bulla von ThanatanMedia gemacht – und die musikalische Untermalung stammt vom Ambient-Künstler Jochen Bettgens alias dE/mutE und den sehr großartigen Feline & Strange.
(Genau, die beiden Herren sind meine Partners in Art und haben bereits letztes Jahr mit mir unseren schicken Beitrag zum ersten DarkStreamFestival erarbeitet. Feline & Strange dürften als abgefahrene Berliner Wave-Cabaret-Postpunk-Band ebenfalls bereits bekannt sein. Falls nicht: HÖRT REIN! Die sind toll!
Nun, gemeinsam haben wir einen 21-Minüter gebastelt, der auf meiner Erzählung Der Trip aus Der Fluch der Dunkelgräfin basiert.

Zu kriegen ist er HIER. Ich bin verliebt. Ihr hoffentlich auch gleich!



Ein Traum aus der Vergangenheit

Auf der Suche nach einer Handvoll Kürzestgeschichten, die beim Zusammenbruch meiner Seite leider mit über den Jordan gingen, die WaybackMachine bemüht und diesen seltsam detaillierten Traum gefunden, den ich keineahnungwann veröffentlicht habe:

Vergangene Nacht …

… stand ich – zum Glück nur im Traum – neben einem großen „Fußgängerzone“-Schild und wartete darauf, die Straße überqueren zu können. Da kam ein junger Irgendjemand auf einem Fahrrad und wollte meine Handtasche klauen. Die hatte ich allerdings so um mich geschlungen, dass sie nicht einfach von meiner Schulter rutschen wollte, sodass ich mitgezogen und mit ziemlicher Wucht gegen besagtes Schild geschmettert wurde, was, da es sich bei der Tasche um eine Armee-Kampftasche handelt, deren Gurt nicht reißen wollte, dazu führte, dass der Kerl, vom Schwung seiner schnellen Fahrt nach vorne drängend und vom Taschengurt, der an mir hing, die ich am Schild hing abrupt gebremst, blieb, wo er war – nämlich auf der anderen Seite des Schildes. Das Fahrrad dagegen fuhr weiter.

Die Wucht meines Aufpralls genügte, um mir ein grün-blaues Gesicht zu zaubern und meinen Backenzahn auszuschlagen, der mir bereits seit Wochen Probleme macht und den mein Zahnarzt übermorgen – im echten Leben, wohlgemerkt – einer Wurzelbehandlung zu unterziehen gedenkt. Tja, in meinem Traum war das nicht mehr notwendig, wohl aber eine sofortige Behandlung im Krankenhaus, da mit dem Zahnfleisch auch eine Eitertasche aufgerissen wurde, die sich bei ausbliebender Behandlung angeblich in mein Körperinneres ergossen hätte, so die behandelnden Ärzte, was schlimm hätte ausgehen können, sodass man zusammenfassend sage könnte, dass der verhinderte Taschendieb mir quasi das Leben gerettet hat.

Trotzdem waren mir seine wesentlich schlimmeren Verletzungen vom Fahrradsturz eine Genugtuung.

Beim Aufwachen schmerzte der elende Backenzahn.

On Writing (Reprise)

Eigentlich ist der Job der Schriftstellerin ziemlich beschissen.

Schreiben ist zwar angenehm einsam, aber auch schwer & anstrengend & frustrierend & manchmal schmerzhaft. Obwohl ich mich nicht als Künstlerin begreife, stelle ich gewisse Ansprüche an meine Arbeit.

(Und an mich; aber da ich Letztere beim besten Willen nicht erfüllen kann, unterlaufe ich sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit voller Absicht. Aber das nur am Rande.)

Ich bin gut, wenn es um Kurzgeschichten geht. Manchmal kriege ich auch ein Gedicht zusammen, mit dem ich leben kann. Ansonsten bleibt alles Fragment.
Wenn man allerdings genügend Fragmente zu einem Oberthema gesammelt hat, kann man sie mit ein bisschen Geduld & viel Verzweiflung so arrangieren & verbinden, dass etwas Ähnliches wie ein Buch dabei herauskommt. So arbeite ich am liebsten, mit dosiertem Schmerz & der Hauptanstrengung ganz am Ende, wenn als Belohnung die erlösende Veröffentlichung winkt.
Aktuell sammle ich solche Fragmente. Noch sind sie kurz & allein, aber bald schon kann ich anfangen, sie zu dem zu formen, was mal »Emotionale Abfallprodukte« werden soll.
Wenn da nicht das Gefühl der Leere wäre; Meist fühle ich mich leer, wenn eine Geschichte fertig ist. Gerade fühle ich mich leer, obwohl ich erst ganz am Anfang stehe. Ungewohnt; Ich weiß noch nicht recht, was ich mit dieser Emotion anfangen soll.
Die Leere kommt vermutlich daher, dass ich mich für das neue Buch mit Dingen beschäftige, die ich außerhalb der Psychotherapie lieber verdränge. Es geht um Liebe, Entfremdung, Fehler, Dummheit, das Meer und Hirngespinste.
Bisher.
Fehlt ja noch ganz viel.

Verdrängung liegt mir eher als das Schreiben.

(Ja, lieber Leser, du hast das ganz richtig erkannt: Deshalb bin ich so fucking langsam, wenn es um neue Veröffentlichungen geht! Verdrängung ist ausgesprochen zeitintensiv & erfordert mindestens einen Netflix-Account.)

Wie gesagt, im Moment klappt das mit der Verdrängung nicht so richtig, also muss ich schreiben. Fragmente. Stream of consciousness zu etwas annähernd Lesbarem formen.
Dabei rauchen.

(Ich wollte doch mal wieder aufhören!)

Dabei weinen.

(Die Therapie ist doch gerade erfolgreich abgeschlossen worden!)

Vielleicht dabei meinen Humor wiederfinden, damit das Ding ein bisschen lebensbejahender wird.

So ist es, das Schreiben, für mich: ziemlich beschissen eigentlich.

Wie dem auch sei: Es entsteht gerade ein neues Buch. Vielleicht noch dieses Jahr, vielleicht erst 2020. Motivation ist explizit erwünscht.

Über Kisten

Etwas weniger als drei Jahre sind vergangen seit einer verwirrten und verwirrenden Trennung zugunsten einer neuen und nicht minder verwirrenden Beziehung, die ihrerseits rasch sterben musste. Jedes Mal riss es große Wunden und ging mit großen Verlusten einher.
Und jedes Mal war ich die Schuldige.

(Eine Erkenntnis, die im Übrigen nicht unbedingt für geringeren Schmerz sorgt.)

Dann folgte der große Zusammenbruch, die Zeitdesschlafes wechselte mit der Zeitdeskampfes und der Zeitdermedizin. Und mehr Schlaf. Wochen und Monate, die sich allein anhand von eMails aus jener Zeit rekonstruieren lassen.
Dann Klinik.
Dann Italien.
Dann Stefan, mal wieder viel zu impulsiv und hektisch und wenig überlegt.

(Aber seit etwas mehr als zwei Jahren ausgesprochen erfolgreich & schön.)

Dann Heute.
Ein neues Leben in einer neuen Stadt, mit neuen Freunden, einer neuen Beziehung, einem neuen Beziehungsstatus, neuer Arbeit.

(Ein neues Leben, fürwahr. Wie ist das nur passiert? Die eMails geben dazu keine befriedigende Auskunft.)

Ankommen wird langsam notwendig. Denn wenn auch jetzt alles anders läuft, ich scheinbar nach dem großen Zusammenbruch in einer anderen Simona aufgewacht bin

(I’m transforming, I’m vibrating, look at me now)

ist das doch Blödsinn, schlicht nicht wahr. Mein Leben ist noch dasselbe, ich bin noch dieselbe.

Und ich werde verfolgt.
Wie immer, wenn ich eine Emotion nicht ansehen will, nicht wahrhaben, habe ich die Ereignisse der letzten Jahre in kleine Kisten gepackt und hinter mir auf den Boden fallen lassen.
Aber da bleiben sie nicht, diese elenden Kisten. Sie ziehen Fäden. Zähe, klebrige Fäden, die nicht unendlich lang werden und auch nicht reißen können, sondern einfach irgendwann zusammenschnurren, sodass die Kiste nach vorne geschleudert wird und mich trifft. Kiste um Kiste schmettert mir gegen den Kopf und fällt auseinander.

(Pitsch: Eigentlich sehnst du dich doch nach der alten Heimat.)

(Pitsch: Oh, da hattest du Streit mit Papa. Lass uns das doch die ganze Nacht hin und her drehen und nachschauen, wie dumm du dich verhalten hast.)

(Pitsch: Mama ist tot.)

(Pitsch: Y. redet immer noch nicht mit dir.)

(Pitsch: X. macht lustige Sachen mit den Leuten, die du so arg vermisst. Und redet im Übrigen auch nicht mehr mit dir.)

Pitsch, pitsch, pitsch.
Dumme kleine Kisten. Keine Ahnung, was man mit dem ganzen Sperrholz anfangen soll.

Über das neue Jahr

Jahreswechsel scheinen den Menschen ein wenig auf die Nerven zu gehen. Zumindest in meiner persönlichen Filterblase tummeln sich mehr Leute, die sich über das angenommene Rekapitulieren der vergangenen Monate durch ihre Mitmenschen echauffieren, als Leute, die tatsächlich genau diese Rekapitulation betreiben.
Ich finde das schade, denn ich mag Symbole, ich mag Rückblicke. Ich mag es, einen Tag zu erleben und mir auch zu gönnen, an dem ich nachsehe, was so alles war und hätte sein können und jetzt ist und vielleicht werden wird.

(»Was vielleicht werden wird« ist dabei übrigens mein Liebling, mein »Happy Place«, wenn ich nicht schlafen kann und das [nicht völlig zu Unrecht] viel gepriesene »Jetzt« schlicht kacke ist.)

Der letzte Tag des Jahres ist aus verschiedenen Gründen gut geeignet, dieser Neigung nachzugeben: Ich muss gemeinhin nicht arbeiten, die Stadt ist meist kalt, leer und ruhig, und alles bereitet sich auf einen schönen Abend mit Freunden vor.

(Heute bin ich zudem ein wenig kränklich, was mir immer als Ausrede dient, noch intensiver auf der Couch herumzuhängen, als ich das ohnehin tue.)

In der Vergangenheit hatte ich zum Glück häufig die Gelegenheit, diesen Tag mit Freunden zu begehen, bei festivalartigen Zusammenkünften über mehrere Tage. Wir gingen gemeinsam einkaufen, kochten mit tatkräftiger Unterstützung diverser Flaschen Wein, aßen, unternahmen Spaziergänge, spielten Partyspiele, aßen, hörten Musik, sahen Filme, aßen, teilten, was uns das Jahr über widerfahren war, aßen, tranken, aßen, purzelten übereinander, aßen, und um Mitternacht lagen wir uns in den Armen und freuten uns, dass wir einander kennen durften. Am nächsten Tag saßen wir mehr oder weniger verkatert in der Sauna und begannen das neue Jahr friedlich und aufgeräumt, ehe wir noch mehr aßen.

Nach diesen Tagen wieder nach Hause zu fahren, war immer einigermaßen hart.
Jetzt daran zu denken, dass es so bald keine dieser Jahresendzusammenkünfte mehr geben wird, ist noch härter.

Doch das hat nur am Rande mit 2016 zu tun; eigentlich nur insofern, als mein 2016 geprägt war von Erinnerungen an meine Freunde und meine Vergangenheit und all die Dinge, die so nicht wieder stattfinden werden, zumindest nicht in absehbarer Zukunft.
Das klingt dramatisch, als wären alle tot oder so. Dem ist natürlich nicht so, ich bin einfach nur umgezogen, das erste Mal in meinem Leben dauerhaft weg von daheim. Ich kam nicht mal besonders weit, gerade weit genug, dass ich mir ein neues Umfeld suchen und meine Zeit anders planen muss. Eine Umstellung, die gerade groß genug ist, dass sich alles anders und neu anfühlt und ich mich oft einsam.

Das wird sich vermutlich im Laufe des nächsten Jahres ändern, denn dieses Mal gibt es Vorsätze im Hause Turini!

Die Veränderungen der nahen Vergangenheit waren krass: Viele Menschen sind nicht mehr da, oder geografisch weit weg, oder emotional weit weg. Dafür sind zahlreiche neue Menschen in mein Leben getreten, mit einem davon habe ich mich sogar verlobt. Meine berufliche Situation ist völlig anders als früher, der Aufbau meiner freiberuflichen Tätigkeit hat Zeit, Geld und Nerven gekostet – zum Glück aber auch Zeit, Geld und Glück gebracht.
Jetzt will ich in aller Ruhe ausbauen, was ich angefangen habe & mich auf das zurückziehen, was ich kann und mag. Große Veränderungen oder wahnwitzige Pläne werde ich 2017 einfach mal nicht machen. Ich wünsche mir ruhiges Fahrwasser, will ein klein wenig Stabilität in mein Leben bringen und die neuen Beziehungen vertiefen.

Klingt langweilig, und vielleicht wird es das manchmal auch werden, aber es ist notwendig: Ankommen ist die Devise für die zwölf Monate, die vor mir liegen.

Was auch immer ihr euch alle vornehmt oder erhofft, ich erhebe mein Glas (und heute Abend wird es zahlreiche Gläser geben, die ich zu erheben gedenke) & proste euch zu & wünsche euch, dass es klappt.

Kurzurlaub

… und dann wachst du eines Tages auf und fühlst dich nicht gut und genaues Nachdenken bringt dich darauf, dass dein Unwohlsein einen einfachen Grund hat:

Du bist nicht, wer du zu sein glaubtest.

Das kann der Mutter passieren, die plötzlich feststellt, dass sie Kinder nicht leiden kann, oder dem Banker, der lieber Bäume retten will, oder der Schülerin, die statt ihres Freundes lieber die beste Freundin küssen will.

Es kann aber auch passieren, dass du gestern noch neidisch auf deinen Kumpel warst, der sechs Wochen in Thailand verbringen wird und es wütend auf „kein Geld“ und „keine Zeit“ geschoben hast, dass du so was niemals tust, und heute stellst du fest:

Nix da, Geld und Zeit ließen sich einrichten, du willst schlicht nicht sechs Wochen weg.

Kurz: Du wachst auf und stellst fest, dass du überhaupt kein verhinderter Globetrotter bist, sondern eine sehr erfolgreiche Couchpotato, ein Heimscheißer, einer der langweiligen Daheimaufmbalkonsitzer.

Was du doch eigentlich niemals sein wolltest.

 

Um nicht vollends die Achtung vor mir selbst zu verlieren, präge ich hiermit den Begriff „Permanentkurzurlauberin“.

Anzeigenplatzierung deluxe!

Gerade gesehen: Ich habe viel zu lange nichts mehr geschrieben.

(Wird sich bald wieder ändern, versprochen.)

Auch gerade gesehen: Wenn man beim Online-Händler nach dem „Silberfischchen“-Buch sucht, erhält man als „Zusammen kaufen mit“-Vorschlag eine Packung „Silberfischchen-Köder“.

Diese hier sollen laut dem Online-Händler die besten sein.

Gern geschehen.

Worum geht’s eigentlich in deinem neuen Buch? – 3

Bisher mag der Eindruck entstanden sein, es ginge im neuen Buch nur darum, zu viel zu trinken oder die Uni zu schmeißen. Das ist nur halb richtig. Es geht auch um das Suchen und Finden von Liebe:

 

So ein Leben in der Fremde kann sehr schnell einsam werden, da hat jeder neue Bekannte das Potential zum Seelenverwandten.
»Verdammte Stadt, eigentlich«, setzte Pit an, als ich gerade mit einer zweiten und dritten Flasche Wein vom nahen Billig-Supermarkt zurückkam. »Verdammtes Land sogar. Dieses Klopapier. Ich meine, was soll das? Es ist höchstens zweilagig, und es sind zwei dünne Lagen. Das ist doch total lächerlich! Im Krankenhaus wird man erst behandelt, wenn man schon halbtot ist, ansonsten kriegt man Schmerzmittel und muss warten. Waschmittel reicht nur für 25 Wäschen, egal, wie groß die Flasche ist. Essen ist teuer, dafür sind Kippen billig und Alkohol auch.
Und jeder dieser elenden Genueser hat einen Hund und jeder dieser Hunde scheißt einfach so auf die Straße, was natürlich niemand wegmacht, außer es regnet, dann kommt es einem entgegen, wenn man den Berg hochläuft. Genueser ohne Hund haben garantiert schreiende Kinder dabei, laut schreiende Kinder, die alles dürfen.
Rauchen ist überall verboten und die Italiener behaupten, das würde ihnen gefallen. Mag im Sommer ja auch stimmen. Ich bin gespannt, wie sie im Winter reden, wenn sie frierend auf der Straße stehen, um ihr Nikotin zu kriegen.«
Dann war er unvermittelt wieder still. Ich nahm ihn mitfühlend in den Arm.

 

Hier gibt es mehr.

Worum geht’s eigentlich in deinem neuen Buch? – 2

Nicht nur um Fäkalien, nein, es geht auch um die Widrigkeiten des Universitätslebens. Zum Beispiel die Anmeldung zu Semesterbeginn.

Im Moment wurde der Glückspilz mit der Nummer 351 von der übellaunigen, dicken Sekretärin abgefertigt, die sich offenbar exklusiv um die ausländischen Studierenden kümmern sollte. Auf meinem Zettel stand 512. Seufzend ging ich vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen. Auf dem Weg wich ich einem jungen Mann aus, der wirkte, als säße er schon immer hier: In einen dreckigen Parka gewickelt starrte er stumm vor sich hin, den Zettel mit der Nummer schlaff in der Hand, die Beine in grauen Jeans halb unter sich gezogen. Sein Bart war erstaunlich lang und fusseliger, als ein Bart natürlicherweise sein sollte. Er roch erbärmlich. Ein kunstvolles Spinnennetz spannte sich zwischen seinem Kopf und der Wand.
Draußen traf ich auf zwei Mädchen, eines davon in einem T-Shirt mit dem unverkennbaren Logo des FC St. Pauli. Ich freute mich heimlich über die Deutschen – Erasmus ahoi! – und bot Zigaretten an. Die beiden musterten mich verständnislos und drehten sich weg. Verwirrt stand ich da, die Kippenpackung noch offen vor mir ausgestreckt. Gerade wollte ich es auf Italienisch versuchen, da murmelte die eine etwas wie »Komische Typen gibt’s«, und die andere lachte.
Sie entfernten sich ein paar Schritte, doch ich konnte sie immer noch reden hören – Deutsch reden hören. Ich wollte gerade nach Steinen suchen, um die dämlichen Ziegen damit zu bewerfen, da sah ich durch die Glastür, dass gerade die Nummer 508 aufgerufen wurde. Meine zuständige Sachbearbeiterin schien trotz ihrer offensichtlichen Aversion gegen ihren Job und ihre schier unglaubliche Körperfülle der Fleiß in Person zu sein. Schnell trat ich meine halb gerauchte Zigarette aus und eilte zurück.