Über die Liebe

In unregelmäßigen Abständen begegnen mir – allen Vermeidungsversuchen zum Trotz – Menschen, deren schieres Sein mich auf eine Art fasziniert, die ich nicht erklären kann.

[Nein, es geht hier nicht um morbide Faszination, nicht um laute, ungehobelte, unangenehme und ganz und gar untragbare Leute, die ihre Dummheit hinter dumpfen Parolen verstecken wollen, was ein in sich unmögliches Unterfangen ist. Deren Existenz ist mir lediglich Ärgernis & Rätsel.]

Es geht hier um Menschen, die ich treffe, ansehe und vor denen ich ganz schnell zurückweiche, um aus dem Hintergrund sehnsüchtige Blicke und verirrte, meist erschreckend fehlgesetzte Worte zu werfen. Ich sollte weggehen, mich umdrehen und fliehen, machen, dass ich nach Hause komme.

Stattdessen bleibe ich sitzen, äuge, sehne, mache auf cool und komme mir dämlich vor.

Wie ein elender Teenager.

In unregelmäßigen Abständen begegnen mir – allen Vermeidungsversuchen zum Trotz – Menschen, in die ich mich verliebe.

In dich zum Beispiel, dessen Geschichten mich so berührt haben und dessen Ruhe und Gelassenheit mich immer wieder berühren.
Oder in dich mit der wundervollen Stimme und den schönen Worten.
In dich, der du mir Dekadenz mit Whisky und stundenlangen Gesprächen geschenkt hast, ehe du mir ein Zuhause wurdest.
In dich, den besten Indenarmnehmer der Welt.
Und in dich, der du einer von den Guten bist und mit dem ich redenredenreden will.
Oder in dich, die personifizierte Wunderbarkeit.

In unregelmäßigen Abständen treten Menschen in mein Leben, die es gefälligst nie wieder verlassen sollen, die gefälligst immer wieder meinen Weg kreuzen und mich neu in sich verliebt machen sollen.

Was sie unweigerlich tun.

[Für einen Abend; bis zum Wochenende; immer, wenn dieses Lied läuft, bei dem du damals in der kleinen Kneipe aufs Klo gegangen bist, um dann mit diesem Typen wiederzukommen, der dich schließlich mit nach Hause nehmen durfte; immer, wenn ich an dieser einen Stelle am Rhein sitze; jedes Mal, wenn ich am Flughafen vorbeifahre. Ewig.]

Es gibt kein Entkommen: Du sitzt doch schon in meinem Kopf. Du verwirrst doch schon mein Herz. Du verfolgst doch schon meine Träume.
Du stellst doch schon lange Dinge mit meiner Kunst an, du Judas.

Und jetzt will ich eben deine Stimme hören, deinen Geschichten lauschen, alles über dich erfahren, jede Erinnerung, jede obskure Idee, jede Sorge.
Ich will in dein Hirn kriechen und mir alles ganz genau ansehen.
Ich will die Kleinigkeiten in deinem Gesicht betrachten, die feinen Linien auf deiner Haut, die Farben in deinen Augen, die Form deiner Lippen.
Ich will Worte, die nur mir gelten.

Deine und deine und deine auch. Ohne Verpflichtung, vielleicht nicht mal exklusiv, aber immer wieder und wieder.

Die ewige Sehnsucht.

Geburtshilfe für ein Buch

Wie manch einer hier mitbekommen haben dürfte, lebe ich mit einem Schriftsteller zusammen.

Herr Gaffory hat mich bereits mit seinem Debut „Kreisklassenhölle“ schwer beeindruckt (das nachfolgende Stalking war offensichtlich von Erfolg gekrönt, siehe oben), nun hat er nachgelegt:

Wehe, du schreibst nichts über die Nits
Die neun Leben des King Bronkowitz

Ein Buch über Musik, Bands, Musiker, Fans und Sammler, voller merkwürdiger und durchweg unterhaltsamer Anekdoten, Konzertberichte, Plattenkritiken. Angereichert mit autobiographischen Notizen, die darlegen, warum Herr Gaffory so ist, wie er nunmal ist.

Ich mag das Buch.

Ich will, dass es erscheint.

Hier kann man es unterstützen; betrachtet es einfach als Vorbestellung. Oder als Möglichkeit, sehr viel günstiger als im Handel an Herrn Gafforys „Backkatalog“ zu gelangen: „Kreisklassenhölle“ und „Der Katzenkönig“ sind nämlich ebenfalls als Dankeschöns zu haben!

Oder freut euch einfach, dass ihr einem fantastischen Künstler helfen könnt, der daraufhin sicher noch viele weitere feine Bücher schreiben wird.

Alles endet

Wie jedes Jahr wollte ich meine ganz persönliche Verwirrung nach Weihnachten nutzen, um in Ruhe das Jahr Revue passieren zu lassen.

(Wir haben doch Jahresende, oder??)

Sowas gefällt mir nämlich ähnlich gut wie bunte, blinkende Lichter in Wohnzimmerfenstern von Plattenbauten, Kernobst mit Schokoladenüberzug und Anstehen, um Glühwein zu kriegen: Irgendwie isses kacke, irgendwie aber auch geil.

Das Ganze wollte ich dann in zierliche Zeilen voller schöner Wörter gießen und hier auf meinem Blog teilen, auf dass ihr, werte Leser, voller Neid auf mein Leben blickt und nicht anders könnt, als ständig und andauernd über mich nachzudenken, wie ich in meinem Prinzessinnenschloss sitze (wahlweise, wenn ihr Leser meiner Bücher seid: meinem dreckigen Folterkeller) und den ganzen Tag nichts anderes mache, als Kunst zu konsumieren, über Kunst nachzudenken, sowas Ähnliches Kunst zu produzieren und mit attraktiven Künstlern zu schlafen.

Das wird nix, daher nur so viel:

2015 war geil, denn ich habe zwar kein Prinzessinnenschloss (nicht mal nen eigenen Folterkeller), produziere absolut keine Kunst, darf aber zumindest welche konsumieren, darüber nachdenken und mit einem gar wundervollen Künstler schlafen.
Insofern muss 2016 gar nicht mehr viel liefern – viele schöne Aufträge für das Lektorat wären fein, noch viel mehr Treffen mit all den herrlichen Menschen, die ich in den letzten Jahren kennenlernen durfte, und endlich die Erfindung einer Pizza, deren ständiger Konsum dünn, wunderschön, gesund, fit und klug macht.

Dafür liefere ich dann nen Roman.

Deal?

ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN!

Kommende Woche werde ich nicht nur die Buch Berlin besuchen, sondern auch mit meinen wundervollen Kolleginnen Claudia Rapp und Luci van Org eine Lesung bestreiten:

Um die Wartezeit auf eine regelmäßige Literatur-Revue zu überbrücken, gibt es am Samstag, den 28. November zunächst einen kleinen, feinen, schrägen Late-Night-Leseabend mit Luci van Org (ehemals Lucilectric, jetzt Üebermutter und eine Hälfte von Meystersinger, sowie Autorin von bisher zwei Romanen), Simona Turini (Autorin von Horror und abgründigen Geschichten, Lektorin und Rotweintrinkerin) und Claudia Rapp (Übersetzerin, Autorin, verhindertes Groupie, und bei indieberlin vor allem zuständig für deutsche Literatur).

Wieso schräg und wieso Late Night? Ganz einfach. Wir lesen diesmal nur die „interessanten“ Stellen. Das bedeutet vor allem Sex, vielleicht auch Tod und Teufel, Götter und Geister, Märchen und Mord. Vor allem aber Sex. Zwischendurch können musikalische Einlagen passieren. Kommt auf die Stimmung an.

Wir freuen uns also auf neugierige, gierige Zuhörer am Samstag den 28.11. ab 20:30 im Hinterzimmer des Posh Teckel, Pflügerstr. 4, Neukölln (U8 Schönleinstr. oder U7/U8 Hermannplatz) Eintritt 5 Euro. Außerdem verlosen wir zwei mal zwei Freikarten. Einfach bis 25.11. eine E-Mail an claudia at indieberlin dot de mit dem Betreff „Late Night“ senden.“

Mitmachen! Hinkommen!

Von der Einsamkeit

Gatsby steht mit einem Glas Whisky auf seiner Terasse, als Nick Caraway zu ihm kommt.

Ich stand monatelang allein auf meinem Balkon und betrank mich ruhig und stetig, und niemand kam.

Das ist das Problem mit der Einsamkeit: Um sie darstellen zu können braucht es andere Menschen, Beobachter. Aber in der Realität ist man eben einfach einsam.

Mit Verspätung: Auf dem WGT – Und ganz frisch: gONZo-Lesung

Wenn man mit der großartigen Luci van Org & der nicht minder großartigen Claudia Rapp eine Lesung bestreiten darf, dann zögert man nicht, sondern setzt sich in den Zug nach Leipzig.

So geschehen Pfingsten, nach vielen Wochen im Exil und entsprechend unglaublich mies vorbereitet.

Wenn man außer einem Künstler-Bändchen für das WGT (jepp: Ich bin jetzt hochoffiziell KÜNSTLERIN) & einem Getränk am Auftrittsort nix kriegt, dann bemüht man sich, zumindest ein paar Bücher loszuschlagen und ein paar Konzerte zu besuchen.

Beides klappte aufgrund vorerwähnter mangelhafter Planung – zu wenig Bücher am Start, massiv verpeilt – nur mäßig. Trotzdem war es toll.

Luci & Roman, die Meystersinger, sind hochprofessionell, können wunderbar improvisieren & kommen selbst mit hochgradig verkaterten, übermüdeten & übelkeitsgeplagten Mitautorinnen klar.

Vielen Dank euch beiden!

Eure Performance war unwahrscheinlich gut, eure Lieder machen Spaß & berühren – immer im Wechsel.

Verwirrend, wundervoll.

Lucis Buch wird sicher ein Hit — ich für meinen Teil werde es lesen, sobald es erscheint.

(Dies ist als ausdrückliche Bitte um Wiederholung zu lesen!)

Claudia hat mal wieder bewiesen, dass man auch nach Aufzucht zweier Kinder noch Rock’n’Roll sein kann & trotz galoppierenden Elends eine ziemlich gute Performance abgeliefert.

Weiter so, Babe!

(Ich verspreche, dass wir es nächstes Mal nicht so arg übertreiben – zumindest nicht VOR dem Auftritt…)


Nicht ganz so lang her ist eine absolute Highlight-Lesung dieses Jahres:

Der frischgeliebte Herr Gaffory und meine Wenigkeit durften mit vier Kollegen vom gONZo-Verlag den Auftaktabend der Mainzer Minipressen-Messe bestreiten, in der gemütlich-urigen Dorett-Bar im schönen Mainzer Bleichenviertel.

Stefan machte den Anfang: Wie gewohnt trug er seine Hasstexte souverän & völlig nachvollziehbar vor – es gab keinerlei Bombendrohung verirrter Dylan-Fans.

(Auch lauerte uns nachts niemand in einer der zahlreichen dunklen Ecken der Neustadt auf, um uns zu verprügeln, die Schreibhand abzuhacken oder uns als immerwährende Folter Dylan in Dauerschleife an die Ohren zu tackern.)

Hermann Borgerding trug traumhafte Liebesgedichte vor, die offensichtlich tiefen Eindruck beim Publikum hinterließen – ich hörte in den folgenden Tagen noch viel Lob.

(Ich durfte Hermann Borgerding treffen! In echt & lebendig & gut gelaunt & so!)

Er hat sich übrigens hier ebenfalls zur Lesung geäußert —

Robsie Richter erfreute mit Real-Life-Kannibalen, Till Fommelt las mich (lachenderweise) unter den Tisch & Eva Szulkowski beeindruckte mit einem gekonnt-empathischen Vortrag — weiter so, Eva!

Ausreißer?? NeinNein – wir waren alle GUT, so RICHTIG.

(Vielleicht ein bisschen arg nüchtern, aber irgendwas ist ja immer.)

Auch hier: Wiederholung, bitte, unbedingt!

KALENDARIUM in Wiesbaden!

Am 09. Mai feiert die Galerie esc-space in Wiesbaden ihr 9. Frühjahrsfest – und <dE/mutE> und meine Wenigkeit dürfen als KALENDARIUM auftreten!

Emanuel-Geibel-Str. 12, Ecke Herderstraße, Beginn 19 Uhr. KALENDARIUM legen los, sobald es dunkel wird.

Das Event wird in der Galerie selbst und auf dem hübschenkleinen Platz davor stattfinden, wir werden zu viel trinken und lachen, und am Ende kauft bitte jeder noch ein Bild.

See you!

Die Fenster der Stadt V – Eine Begegnung

Er ist der Mann mit der schönen Stimme, der so schöne Worte kennt und sie so kunstvoll aneinanderreiht. Ein bisschen Ehrfurcht schwingt in mir, als ich ihn ansehe.

Er hat ein Doppelkinn.
Und einen Bauch.
Und ganz dünne Beine.
Er ist nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt, das sieht man. Man sieht auch, dass sein Geist noch jung ist, wach und klug, denn seinen Zügen fehlt die knöcherne Verbitterung, die so viele Leute haben.
Man sieht, dass er Angst hat.

Wir stehen nackt voreinander, in all unserer glorreichen Unvollkommenheit:
Sein Bauch, mein Hüftspeck, sein Doppelkinn, meine Brüste, die mal straffer waren, klein & prall, und nun mehr und mehr dem Alter nachgeben wollen. Seine Muttermale, meine dunklen Körperhaare, sein lichter werdendes Haar, meine delligen Schenkel.

Wir sehen uns an, seine Augen blaue Brunnen, und sind ganz vorsichtig, als wir uns berühren – er ist wunderschön, genau wie ich, in diesem Moment der Annäherung.

Sein erigiertes Glied ist ein bisschen schief & mein Bauch gezeichnet von der merkwürdigen Falte, die sich eindrückt und rot wird, wenn ich den ganzen Tag sitze und dabei nicht aufrecht genug bleibe. Sein abstehender kleiner Zeh, meine abgebrochenen und angekauten Fingernägel. Sein ungleichmäßiger Bartwuchs, die Härchen auf meinen Fingerknöcheln.

Er küsst mich, und nur seine Lippen zählen noch, weich & warm & rot & genau das, was meine Lippen jetzt fühlen wollen. Ich muss mich runter beugen, denn er ist zu allem Überfluss kleiner als ich, doch im Liegen, spätestens dann, ist auch das egal.

Der Duft seiner Haut, das Kitzeln seines Atems auf meiner Wange, der Geschmack seines Speichels, seine Fingerspitzen, die regelrecht ehrfürchtig meinen Hintern berühren.
‚Dicker Hintern,‘ denke ich, ‚mit Dellen,‘ als die Lust mich übermannt.

Wie liegen, wir fließen, wir riechen & lecken & küssen & tasten & wir sind schön, perfekt in unserer Vereinigung, und als wir schwer atmend auseinander gehen, verschwitzt, zerzaust, da liegt neben mir der Eine, der berühmte Eine, einer von den Guten, wenigstens für diesen Moment.

Am nächsten Tag steht er am Fenster, noch immer nackt, noch immer unvollkommen, streckt sich, kratzt sich, steckt sich eine Zigarette an. Ehe mich die Realität einholt & mich der Ekel der Oberflächlichkeit packen kann, dreht er sich um, lächelt sein unvergleichliches Lächeln und begrüßt mich mit der schönen Stimme, mit seinen schönen Worten, und ich bin verloren.

Buchmesse Leipzig 2015

Du drängelst Dich durch schlendernde Menschenmassen. Du kommst genervt irgendwo an.

Es gibt Bier. Es gibt Rum. Manchmal gibt es Wein.

Auf einmal erkennen Dich die Leute, die, die Du schon vor drei Jahren unter ganz ähnlichen Umständen getroffen hast, und danach nochmal woanders und dann wieder woanders, und von denen Du eigentlich dachtest, sie würden sich nie merken, wer Du bist.

Und dann führst Du Gespräche über Traktor-Legenden und Sammelheftchen, Curling, die schönsten Bahnstrecken Deutschlands, Techniken der Ausweidung und Weihnachts-Besäufnisse und weißt: Hier bin ich richtig, hier setze ich mich mal in den Weg.

Ehe Du weißt, was überhaupt passiert ist, liest Du Leuten Dinge vor und lässt Dir vorlesen und kriegst Komplimente und Schnaps. Du entwickelst eine fast schon unheimliche Faszination für diese Fremden. Und dann wachst Du auf und wurdest bemerkt, die Faszination könnte eine Gegenseitige sein, und vielleicht wird doch noch alles gut und bunt.

Dann stehst Du wieder irgendwo, liest irgendwas, bekommst irgendwas vorgelesen, lachst und freust Dich und kriegst Komplimente und Essen.

Dann bist Du wieder zuhause, kannst nicht schlafen, weil Du die ganze Zeit lachen willst, liest in die leere Luft, denn Du bist wieder allein und nachdem Du endlich geschlafen hast, ist auch nichts klarer als vorher.

Aber das war es wert.

Die nächsten Rumwaffeln brauchen bitte Zimt.

 

Ausführlicher gibt es das Ganze bei der Spelunkenjenny.

Blöcke

„Du sollst schreiben!“, denke ich, als ich aufwache.

„Du sollst schreiben!“, sagt meine Mitbewohnerin, als ich mir die dritte Tasse Tee hole und sie zunehmend bemüht in ein Gespräch zu verwickeln suche.

„Du sollst schreiben!“, sagt mein Computermonitor und blinkt vorwurfsvoll.

„Schreiben, schreiben!“, rufen die Stadttauben auf dem Balkon und wollen meine Kippe stehlen.

Resigniert setze ich mich auf die Couch und versinke in einer Fernsehserie, die ich schon oft gesehen habe.

„Morgen solltest Du schreiben!“, denke ich.